Konzentration im buddhistischen Sinne bedeutet nicht bloß das bloße Fokussieren, sondern eine Verfeinerung und Stärkung eines geistigen Elements, das in jedem Moment Deines Bewusstseins aktiv ist. Dieses Element wird als „geistige Einspitzigkeit“ bezeichnet – im Pali „citt’ekaggatā“.
Es sorgt dafür, dass Dein Denken sich sammelt, statt sich zu zerstreuen. Es bündelt die Vielzahl Deiner geistigen Prozesse, sodass sie gemeinsam auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sind.
Jeder Moment Deines Bewusstseins ist auf ein Objekt gerichtet – sei es etwas Sichtbares, ein Ton, ein Geruch, Geschmack, Berührung oder eine Vorstellung im Geist. Ohne diese Ausrichtung würde Dein Geist haltlos umherirren, wie ein Boot ohne Ruder auf offenem Meer. Die Einspitzigkeit aber wirkt wie der Anker – sie hält Deinen Fokus zusammen und lenkt Deine innere Aufmerksamkeit auf einen Punkt.
In der buddhistischen Meditationspraxis ist dieser Zustand von zentraler Bedeutung. Es geht nicht darum, Gedanken zu unterdrücken, sondern darum, sie zu sammeln und zu ordnen, damit Du die Natur der Realität klarer erkennen kannst. Der Geist, der in der Achtsamkeit geschult wurde, gleicht einem stillen See, in dem sich die Welt spiegeln kann, wie sie ist – ungetrübt von Ablenkung.
Diese innere Bündelung ist keine starre Fixierung. Vielmehr ist es ein lebendiger Prozess: Der Geist richtet sich freiwillig und sanft immer wieder auf das gewählte Meditationsobjekt aus, sei es der Atem, ein Klang oder ein inneres Bild. Dadurch entsteht Klarheit, Präsenz und ein Gefühl tiefer Ruhe.
Wenn Du lernst, diesen Aspekt Deines Bewusstseins zu verstehen und zu stärken, wirst Du merken, wie viel Kraft darin liegt, wirklich bei einer Sache zu sein. In einer Welt, die ständig Deine Aufmerksamkeit zerreißen will, wird Einspitzigkeit zur spirituellen Gegenbewegung. Sie erlaubt Dir, im gegenwärtigen Augenblick zu verweilen, statt zwischen Vergangenheit und Zukunft hin- und hergezogen zu werden.
So wird Konzentration zur Tür – nicht nur zur inneren Sammlung, sondern auch zur Weisheit. Denn nur ein ruhiger Geist kann wirklich sehen, was ist.
Eine passende Anekdote aus dem Leben des Buddha, die die Kraft der Konzentration und geistigen Einspitzigkeit (citt’ekaggatā) verdeutlicht, ist die Geschichte von Buddha und dem Speerwerfer:
Der Buddha und der Speerwerfer
Eines Tages kam ein berühmter Speerwerfer zu Buddha. Er war stolz auf seine Fähigkeiten und sagte herausfordernd:
„Ich kann einen Speer aus großer Entfernung auf ein winziges Ziel werfen und es genau treffen. Mein Geist ist so konzentriert, dass ich niemals verfehle. Was also unterscheidet meine Konzentration von der eines Meditierenden wie Dir?“
Der Buddha antwortete ruhig:
„Was Du beherrschst, ist äußere Geschicklichkeit – die Fähigkeit, Deinen Körper zu fokussieren. Doch in der Meditation üben wir, den Geist selbst zu durchdringen. Die Einspitzigkeit, die wir kultivieren, richtet sich nicht nach außen, sondern nach innen. Wir zielen nicht auf ein sichtbares Ziel, sondern auf die Natur der Realität – auf das Ende des Leidens. Unsere Waffe ist nicht der Speer, sondern die Achtsamkeit. Und unser Ziel ist nicht ein Punkt in der Ferne, sondern der gegenwärtige Moment.“
Die Bedeutung dieser Geschichte:
Diese Anekdote zeigt, dass Konzentration im Buddhismus nicht einfach nur Schärfe oder Präzision bedeutet, sondern eine tiefere geistige Disziplin – die Fähigkeit, völlig gegenwärtig zu sein, ohne sich ablenken zu lassen. Der Buddha betont, dass echte Einspitzigkeit ein innerer Zustand ist, in dem der Geist ruhig, gesammelt und durchdringend wird – eine Voraussetzung für tiefes Verständnis und Einsicht (Vipassanā).
Diese Form von geistiger Sammlung ist es, die in der Meditation geübt wird – nicht als Selbstzweck, sondern als Tor zur Erkenntnis und zur Befreiung.
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