Der Umweg

Geschrieben am 15.09.2025
von SR


Im tiefsten Sinne können wir uns Befreiung nicht wirklich wünschen, da wir sie nicht vollständig begreifen können. Wir können keine Vorstellung davon haben, was es wirklich bedeutet, „befreit“ zu sein. Es ist schwer, diesen Zustand zu beschreiben, und doch ist er für mich das, was man „reines Potenzial“ nennt. Es ist der Zustand der Ewigkeit, der jenseits der Zeit und des Raumes existiert. Oft wird er als Leere wahrgenommen – aber nicht als die Leere, die wir uns gewöhnlich vorstellen, sondern als eine, die keine räumliche Ausdehnung hat. Diese Leere ist keine „Leere im Leereren“; sie ist vielmehr das, was jenseits aller Vorstellungswelten liegt.



Das Buddhistische Konzept von Leere bezieht sich auf etwas, das nicht greifbar ist und nicht in Kategorien passt. Es ist der Zustand, in dem weder Zeit noch Raum existieren, und es gibt wirklich nichts, worüber man sprechen könnte. In dieser „göttlichen Unwissenheit“ ist es nicht möglich, etwas zu wissen, was nicht erfahrbar ist. Meister Eckhart sprach von einem „unwissenden Wissen“ – einer Art Wissen, das paradox erscheint, weil es zugleich Wissen und Nicht-Wissen ist.

Manchmal stoßen Menschen auf diesen Zustand, ohne es wirklich zu verstehen. Sie haben eine flüchtige Erfahrung gemacht, haben einen Moment der Klarheit gespürt und sind dann zurückgezogen worden, oft aufgrund eines natürlichen Überlebensmechanismus. Doch der Vorteil dieser Erfahrung liegt darin, dass der innere Knoten, der sowohl das Ego als auch das Selbst bildet, sich lösen kann. Sobald dieser Knoten beginnt, sich zu lösen, kann es sich so anfühlen, als würde man sich selbst verlieren. Doch genau das ist der Moment, in dem der alte Glaube an das Selbst zerbricht.


Dieser Prozess führt zu einer tiefen Erfahrung des Nicht-Selbst, in dem alle Konzepte und Vorstellungen von „Ich“ und „Mein“ aufgelöst werden. Die innere Welt, in der der Blick des Bewusstseins immer auf sich selbst gerichtet war, löst sich auf. Anstatt weiterhin zu fragen: „Wie fühle ich mich?“ oder „Was bedeutet das für mich?“, richtet sich das Bewusstsein jetzt nach außen, ohne an eine persönliche Identität gebunden zu sein.

Buddha beschrieb dieses Erwachen als „Nirvana“ – der Moment, in dem etwas einfach endet, ohne dass etwas hinzukommt. Es ist nicht eine Addition von Wissen oder Erfahrung, sondern ein Loslassen. Wie das Ausblasen einer Kerze, wenn alles, was Du über Dich weißt, einfach in Luft auflöst. Du kommst in direkten Kontakt mit dem, was immer war, ohne etwas zu suchen. Es gibt keine Angst mehr, weil Du erkannt hast, dass es nichts zu fürchten gibt.



In der Praxis bedeutet das, dass Du Deine tiefste Natur nicht erreichen musst. Du bist sie bereits, und irgendwann wirst Du es spüren. Auch ohne religiöse Suche wirst Du Momente erleben, in denen Du in Kontakt mit dieser Wahrheit kommst – dem Boden Deines Seins, der niemals verändert wird. Es gibt keinen Endpunkt auf diesem Weg, nur die unendliche Entfaltung dieser Wahrheit. Und wie Buddha – auch Du wirst immer mehr zu dem, was Du bist.



Ein Zitat von Buddha, das gut zu diesem Text passt, lautet:

„Die Freiheit liegt im Loslassen.“

Dieses Zitat spiegelt die Idee wider, dass wahre Befreiung und innerer Frieden nicht durch Anhäufung oder das Streben nach mehr erreicht werden, sondern durch das Loslassen von Anhaftungen, Vorstellungen und dem Ego. Ähnlich wie im Text beschrieben, ist das Loslassen der inneren Knoten und das Auflösen von Vorstellungen über das Selbst der Schlüssel zu einem Zustand der Klarheit und des „reinen Potentials“.

Der Weg ist das Ziel!



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