Eines Tages wanderte Buddha gemeinsam mit einer kleinen Gruppe seiner Schüler von einem Ort zum nächsten. Es war noch früh in seiner Lehrzeit, als sie während ihrer Reise an einem ruhigen See vorbeikamen. Buddha blieb stehen, blickte über das Wasser und wandte sich an einen seiner Jünger:
„Ich habe Durst. Würdest Du bitte ein wenig Wasser aus diesem See holen?“
Der Schüler nickte und ging los. Doch als er am Ufer ankam, durchquerte gerade ein schwerer Karren, gezogen von Ochsen, das flache Wasser. Der Boden wurde aufgewühlt, und das klare Wasser verwandelte sich in eine schlammige Brühe. Der Schüler zögerte.
„So ein Wasser kann ich Buddha unmöglich bringen“, dachte er. Also ging er zurück und berichtete, dass das Wasser trüb sei und sich nicht zum Trinken eigne.
Nach einer Weile bat Buddha ihn erneut: „Versuch es bitte noch einmal.“ Der Schüler machte sich wieder auf den Weg. Doch auch diesmal war das Wasser noch voller Schmutz und Sediment. Enttäuscht kehrte er erneut zurück.
Einige Zeit verging, bis Buddha ihn ein drittes Mal bat, den See zu besuchen. Ohne zu fragen, machte sich der Schüler wieder auf den Weg. Dieses Mal war alles anders. Das Wasser war klar, der Schlamm hatte sich am Boden abgesetzt, und die Oberfläche spiegelte ruhig den Himmel wider. Er füllte ein Gefäß mit dem sauberen Wasser und brachte es Buddha.
Buddha nahm das Gefäß, betrachtete das Wasser, sah dann seinen Schüler an und sagte mit ruhiger Stimme:
„Hast Du bemerkt, dass Du nichts tun musstest, damit das Wasser klar wird? Du hast nur abgewartet – und mit der Zeit hat sich alles von selbst beruhigt. So ist es auch mit Deinem Geist. Wenn Deine Gedanken aufgewühlt sind, wenn Emotionen toben oder Unruhe da ist – versuche nicht, sie krampfhaft zu kontrollieren. Tu nichts. Lass es einfach geschehen. Mit etwas Geduld kehrt Klarheit ganz von allein zurück.“
Diese Lehre passt auch heute noch: Im Buddhismus geht es darum, das innere Chaos nicht zu bekämpfen, sondern durch achtsames Nicht-Handeln zur Ruhe kommen zu lassen. Ruhe entsteht nicht durch Zwang – sondern durch Loslassen.
Das Geschehene in der Geschichte von Buddha und dem See ist eine tiefgehende Lektion über den Umgang mit unserem Geist und unseren Emotionen. Es zeigt uns, wie wir in der heutigen Zeit mit inneren Störungen und Herausforderungen umgehen können, ohne uns von ihnen überwältigen zu lassen. Hier sind einige konkrete Möglichkeiten, wie Du diese Lehre im Alltag anwenden kannst:
1. Gedanken und Emotionen kommen und gehen lassen
Im Buddhismus gibt es die Vorstellung, dass der Geist wie ein ruhiger See ist, der von äußeren und inneren Einflüssen gestört werden kann. Wenn Du Deinen Geist mit Gedanken und Emotionen überflutest, wird er trüb und unklar. Aber wie der See in der Geschichte, wird der Geist wieder klar, wenn Du ihn einfach „sein lässt“.
Wie umsetzen?
Wenn Du merkst, dass Du von negativen Gedanken oder Stress überwältigt wirst, versuche, einen Moment innezuhalten und einfach zu beobachten, ohne sofort zu handeln oder Dich in den Gedanken zu verlieren. Du kannst tief und langsam atmen und Dich selbst daran erinnern, dass der Geist wie Wasser ist – er braucht nur Zeit, um sich zu beruhigen. Du kannst auch eine kurze Meditation machen oder einen Spaziergang in der Natur genießen, um Abstand zu gewinnen.
2. Nicht gegen den Strom kämpfen
Oft versuchen wir, unsere Gefühle oder Gedanken zu bekämpfen – wir möchten nicht traurig, wütend oder ängstlich sein. Aber die Geschichte lehrt uns, dass Widerstand oft nur mehr Unruhe erzeugt. Statt gegen die Störungen in Deinem Geist zu kämpfen, lass sie einfach da sein und warte geduldig, bis sie sich von selbst auflösen.
Wie umsetzen?
Wenn Du bemerkst, dass sich in Dir Unruhe aufbaut – sei es durch Ärger, Angst oder Sorgen – versuche, nicht sofort zu reagieren. Akzeptiere die Emotionen, anstatt sie wegzudrängen oder zu verurteilen. Erlaube Dir, diese Gefühle zu fühlen, aber hänge nicht an ihnen fest. Übe Achtsamkeit und erinnere Dich daran, dass sie nur vorübergehend sind.
3. Geduld mit Dir selbst üben
Die Geschichte von Buddha zeigt auch, wie Geduld ein wichtiger Bestandteil des inneren Friedens ist. Anstatt zu versuchen, den Geist gewaltsam zu beruhigen, geht es darum, ihm Raum zu geben, sich zu ordnen. Das erfordert Geduld mit sich selbst.
Wie umsetzen?
Setze Dir nicht zu hohe Erwartungen. Wenn Du versuchst, Dich sofort zu entspannen oder Deine Gedanken schnell zu kontrollieren, wirst Du möglicherweise nur frustriert. Stattdessen gib Dir selbst Zeit und Raum, um zur Ruhe zu kommen. Akzeptiere, dass es Tage gibt, an denen der Geist unruhiger ist, und dass es in Ordnung ist, nicht immer perfekt in der Kontrolle zu sein.
4. Achtsamkeit im Alltag
Im Buddhismus ist Achtsamkeit (oder „Mindfulness“) eine zentrale Praxis. Sie bedeutet, sich der eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen im Moment bewusst zu sein, ohne automatisch darauf zu reagieren. Wenn Du achtsam bist, bemerkst Du, wie Deine Gedanken wie Wolken vorüberziehen – und Du musst nicht auf jede Wolke reagieren.
Wie umsetzen?
Praktiziere Achtsamkeit, indem Du Dich im Alltag bewusst auf das konzentrierst, was gerade passiert – sei es beim Gehen, beim Essen oder bei Gesprächen. Wenn Deine Gedanken abschweifen, bringe sie sanft zurück zur gegenwärtigen Erfahrung. Mit der Zeit wirst Du merken, dass Du gelassener wirst, weil Du nicht mehr ständig auf den Strom Deiner Gedanken reagierst.
5. Selbstmitgefühl entwickeln
Buddha lehrte, dass die Praxis des Loslassens und der Geduld auch Selbstmitgefühl einschließt. Wir neigen oft dazu, uns selbst zu kritisieren oder zu drängen, schnell „erleuchtet“ zu werden. Doch die wahre Weisheit kommt, wenn wir uns selbst mit Freundlichkeit und Geduld behandeln.
Wie umsetzen?
Wenn Du Dich über Deine eigenen Unzulänglichkeiten ärgerst oder enttäuscht bist, erinnere Dich daran, dass Du Mensch bist. Anstatt Dich zu verurteilen, übe Selbstmitgefühl. Sei sanft zu Dir selbst und erlaube Dir, Fehler zu machen. Je mehr Du Dich selbst akzeptierst, desto leichter wird es, in schwierigen Momenten ruhig zu bleiben.
Fazit:
Die Geschichte von Buddha und dem See ist eine kraftvolle Erinnerung daran, dass innerer Frieden nicht durch Anstrengung, sondern durch Geduld und Loslassen entsteht. Statt gegen die Wellen in Deinem Geist zu kämpfen, kannst Du lernen, sie zu beobachten und zu akzeptieren. Indem Du achtsam und geduldig mit Dir selbst bist, kannst Du mehr Klarheit und Ruhe in Deinem Leben erfahren – auch inmitten von Herausforderungen.
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