Die Rede über Fortschritt und Zukunft

Geschrieben am 20.10.2025
von SR


So habe ich es gehört: Einst, in der Blütezeit des Dhammas, saß der Erwachte, der Vollkommen Erleuchtete, Siddhartha Gautama, den du als den historischen Buddha kennst, unter dem Schatten eines friedlichen Baums am Rande eines Dorfes. Umgeben von Suchenden, Mönchen und Laien, die mit offenen Herzen zuhörten, wandte er sich an dich – ja, an dich, der du hier sitzt, mit deinen Hoffnungen auf morgen und deinen Ängsten vor dem Ungewissen. „Höre zu, mein Freund“, begann er mit sanfter Stimme, die wie der Wind durch Blätter rauschte, „und lass uns sprechen vom Fortschritt und der Zukunft, jenen zwei Flüssen, die dein Leben durchfließen.“



Du weißt, der Buddha war kein König auf einem Thron aus Gold, kein Weiser in ferner Legende, sondern ein Mensch wie du – geboren vor über zweitausendfünfhundert Jahren in Lumbini, in einem Palast voller Pracht, doch gefangen in der Illusion der Dauer.

Als Prinz Siddhartha lebte er in Reichtum, umgeben von Jugend und Gesundheit, doch tief in ihm glühte eine Unruhe, ein Sehnen nach etwas Größerem. Der Fortschritt, den die Welt ihm bot, war der eines Kriegers, der Reiche anhäuft und Mächte erobert; die Zukunft schien ein endloser Pfad von Siegen und Erben. Doch siehe, was geschah.

Eines Tages, in einer Anekdote, die Buddhas Leben für immer veränderte, verließ Siddhartha den Palast, getrieben von einer inneren Stimme. Draußen, jenseits der schützenden Mauern, begegnete er den Vier Anzeichen des Lebens – jenen Lehren der Vergänglichkeit, die wie Pfeile sein Herz durchbohrten. 


Zuerst sah er einen alten Mann, gebeugt und zitternd, dessen Schritte wie welkes Laub raschelten. „Was ist das?“, fragte er seinen Kutscher Channa. „Das ist Alter, mein Herr, das jede Blüte ereilt.“ Siddhartha erschrak, denn in diesem Moment erkannte er: Der Fortschritt der Jahre führt nicht zu Vollkommenheit, sondern zu Verfall. Weiter ging es, und er traf einen Kranken, der vor Schmerzen stöhnte, sein Körper ein Gefängnis aus Leid. „Das ist Krankheit“, erklärte Channa, „die selbst die Stärksten fällt.“ Hier lernte er, dass die Zukunft keine Garantie auf Wohlstand birgt, sondern ein Spiegel der Unbeständigkeit ist. 



Bald darauf begegnete er einem Toten, getragen auf einer Bahre, umgeben von Trauernden. „Das ist Tod“, flüsterte Channa, „der Hüter aller Welten.“ Und schließlich, als letztes Zeichen, erblickte er einen stillen Asketen, der mit gelassener Miene wanderte, frei von Bindungen. „Das ist der Weg der Entsagung“, sagte Channa, „der zu innerem Frieden führt.“

Diese Begegnungen, mein Freund, zeigten Siddhartha den Umgang seiner Zeit mit Fortschritt und Zukunft: Die Welt der alten Inder jagte äußeren Glanz – Reichtum, Macht, langes Leben durch Rituale und Opfer. Doch der Buddha, der damals selbst noch Suchender war, sah hindurch. Er erkannte, dass wahrer Fortschritt nicht in der Anhäufung liegt, sondern in der Einsicht in die Drei Merkmale: Vergänglichkeit (anicca), Leid (dukkha) und Nicht-Selbst (anatta). Die Zukunft? Sie ist wie ein Traum, der sich auflöst, sobald du ihn greifst. Statt sie zu fürchten oder zu jagen, lade ich dich ein, sie als Lehrerin zu ehren. Fortschritt, du siehst, ist der edle Achtfache Pfad: rechte Ansicht, rechte Absicht, rechte Rede, rechte Handlung, rechte Lebensweise, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung. Jeder Schritt darauf ist ein Atemzug im Hier und Jetzt, der dich voranbringt, ohne die Fesseln der Erwartung.



Stell dir vor, du stehst vor einer ungewissen Straße – vielleicht eine neue Arbeit, eine Reise oder ein Abschied. Die Welt flüstert: „Mach Fortschritte, plane die Zukunft!“ Doch der Buddha lehrt dich: Fortschritt blüht im Mitgefühl und in der Weisheit, nicht im Hasten. Wenn du in der Zukunft lebst, verlierst du das Jetzt; wenn du dem Fortschritt nachjagst wie einem Schatten, entgleitet er dir. Stattdessen: Übe Achtsamkeit, lass los von Gier und Furcht. So wird deine Zukunft nicht zur Last, sondern zum sanften Strom, der dich zum Erwachen trägt.

Lese in den nächsten Tage die Fortsetzung der Lehrrede!



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