Die Erleuchtung erfahren – Was der Buddha wirklich lehrte
Der Buddha sprach nur selten direkt von „Erleuchtung“ als einem dramatischen Ereignis. Er gebrauchte das Pali-Wort bodhi („Erwachen“) und beschrieb es als das plötzliche oder allmähliche Erkennen der wahren Natur aller Dinge. In der berühmten Nacht unter dem Bodhi-Baum erkannte er drei große Wahrheiten:
1. Die Vergänglichkeit aller bedingten Phänomene (anicca)
2. Das Fehlen eines dauerhaften, unabhängigen Selbst (anatta)
3. Das Leiden, das entsteht, wenn man an Vergänglichem festhält (dukkha)
Als diese drei Erkenntnisse gleichzeitig und vollständig durchdrangen, fielen alle Schleier des Nichtwissens ab. Der Buddha sagte später: „Der Geist wurde befreit, unbeweglich wie ein Diamant. Geburt ist zu Ende gegangen.“ Er betonte jedoch immer wieder, dass dieses Erwachen kein mysteriöses Wunder, kein Geschenk von Göttern und auch kein Zustand nur für ihn selbst war. Es ist die natürliche, ursprüngliche Beschaffenheit jedes Geistes – nur verdeckt durch Gier, Hass und Verblendung.
Eine bewegende Anekdote aus seinem Leben zeigt, wie nüchtern und menschlich dieses Erwachen sein kann.
Einige Jahre nach seiner Erleuchtung wanderte der Buddha mit Ānanda durch das Land Magadha. Sie kamen an einen kleinen Teich, an dem ein einfacher Hirte namens Upatissa (der spätere Sāriputta) gerade seine Büffel tränkte. Sāriputta sah den Buddha von weitem kommen: ruhig, aufrecht, die Augen gesenkt, die Robe makellos, die Schritte gemessen. Etwas an dieser Erscheinung traf ihn wie ein Blitz. Er ging auf den Buddha zu und fragte: „Herr, dein Antlitz ist strahlend und heiter. Unter wem hast du das heilige Leben angetreten? Wer ist dein Lehrer?“
Der Buddha antwortete schlicht: „Ich habe keinen Lehrer mehr, Upatissa. Ich bin vollkommen erwacht (sammāsambuddha).“
Sāriputta war wie vom Donner gerührt. Er bat sofort um Aufnahme in den Orden. Der Buddha sprach nur die Worte: „Ehi bhikkhu – komm, Mönch.“ In diesem Augenblick, beim bloßen Hören dieser Worte und beim Anblick der gelassenen Präsenz des Erwachten, durchdrang Sāriputta die Wahrheit der Lehre so tief, dass er noch am selben Tag zum Strom-Eingeweihten (sotāpanna) wurde – der erste von vielen Schritten zum vollen Erwachen. Später sagte er: „Es war, als hätte jemand eine Öllampe in einen finsteren Raum gehalten. Plötzlich war alles sichtbar.“
Diese Geschichte zeigt: Erleuchtung ist nicht immer ein jahrelanger Kampf oder ein spektakuläres Feuerwerk im Kopf. Manchmal genügt ein einziger klarer Moment, in dem der Geist ganz still wird und die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind.
Der Buddha warnte jedoch eindringlich vor zwei Fehlern:
- Erleuchtung als ferne, unerreichbare Belohnung zu sehen
- zu glauben, man habe sie bereits erlangt, obwohl noch Anhaftung da ist.
Er sagte: „Wer behauptet ‚Ich bin erleuchtet‘, der ist es gerade nicht. Wer es wirklich ist, der schweigt darüber oder spricht nur, um anderen zu helfen.“ Deshalb betonte er den Edlen Achtfachen Pfad als den einzigen verlässlichen Weg: rechte Ansicht, rechte Gesinnung, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechter Lebenserwerb, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung. Wer diesen Pfad geht, dem öffnet sich das Erwachen ganz natürlich, wie eine Lotusblüte bei Sonnenaufgang.
Heute sitzen wir vielleicht nicht unter einem Bodhi-Baum, aber wir haben diesen Atem, diesen Schritt, diesen Augenblick. Der Buddha versprach: „Wer die Wahrheit sucht, der findet sie – nicht irgendwo anders, sondern genau hier.“
Möge jeder von uns einen solchen klaren Moment erfahren – still, einfach, unaufgeregt – und erkennen: Wir waren nie getrennt von dem, wonach wir suchen.
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