Erkenne Dich selbst

Geschrieben am 27.12.2025
von SR


Über dem Tor des berühmten Orakels von Delphi stand einst die Aufforderung: „Erkenne Dich selbst“. Diese uralte Weisheit findet im Buddhismus ihre tiefe Entsprechung, denn der Buddha lehrte, dass wahre Befreiung nur durch die klare Einsicht in die eigene Natur möglich wird – eine Erkenntnis, die uns vom festen Glauben an ein dauerhaftes Ich löst.

Später brachte Jesus in einem kraftvollen Ausspruch eine dringende Warnung hinzu: Wenn Du das ans Licht holst, was tief in Dir verborgen ruht, wird genau dieses Hervorgebrachte Dich retten. Verweigerst Du jedoch, es hervorzubringen, dann wird gerade das Zurückgehaltene Dich zerstören. 



Genau hier zeigt sich, wie ernst der buddhistische Weg das spirituelle Leben nimmt – mit unerbittlichen Konsequenzen. Du stehst ständig an einer entscheidenden Gabelung: Entweder Du verharrst im dumpfen Dämmerzustand unbewussten Wandels, oder Du öffnest die Augen weit für die Wirklichkeit und erreichst Erwachen. Die meisten Menschen bemerken diese Kluft gar nicht, weil sie so tief in Täuschung und Selbstverleugnung versunken sind – ein Schlaf, den der Buddhismus als Wurzel allen Leidens (Dukkha) betrachtet.


Unter all den äußeren Hüllen – Deinem Körper, Deinen Rollen, Erinnerungen, Wünschen, Ängsten und Plänen – liegt eine geheimnisvolle, weite Stille. Diese Stille ist keine Leere im negativen Sinn, sondern eine lebendige, ätherische Präsenz, die der Buddha als Śūnyatā (Leerheit) beschrieb: frei von einem fixen, unabhängigen Selbst (Anatta). Trotz all Deiner hektischen Ablenkungen und Deiner krampfhaften Beschäftigung mit Nebensächlichkeiten spürst Du diese tiefe Ruhe manchmal aufblitzen – und doch tust Du fast alles, um ihr nicht wirklich zu begegnen.



Im Zustand der Unbewusstheit gefangen zu bleiben heißt, im von Ego gesteuerten Reich von Konflikten, Gier, Hass und Verblendung zu verharren. Der Buddhismus nennt diesen Zustand Avidyā – grundlegende Unwissenheit. Gesellschaftlich gilt all das als „normal“, doch in Wahrheit ist es weder gesund noch wirklichkeitsnah. Was wir Menschen üblicherweise als Realität bezeichnen, ist – aus Sicht des Dharma – bloße Illusion, fern der tatsächlichen Natur der Dinge.

Du klammerst Dich an Gedanken, Erinnerungen und Geschichten über „Dich selbst“, fühlst Dich dadurch gefangen und doch sicher. Gleichzeitig rechtfertigst Du damit das endlose Leid, das Du Dir und anderen zufügst.



Tief innen ahnst Du, dass etwas grundlegend schiefläuft, aber die Angst vor der Wahrheit ist so groß, dass Du mit aller Kraft verdrängst und leugnest.

Die Frage nach dem wahren Sein ist die allerwichtigste – nichts hat höhere Bedeutung, nichts birgt größere Konsequenzen. Im Buddhismus entscheidet genau diese Einsicht über alles: Bleibst Du im Traum des falschen Selbst gefangen oder erwachst Du zur Leerheit und Freiheit? Die Wahl liegt bei Dir: Öffne Dich dem Erwachen – oder gleite weiter in einen endlosen, traumlosen Schlaf.

Der Weg ist das Ziel!




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